Der Bau der Bahn

Nach dem Bundesratskompromiss vom März 1912 war der Streckenverlauf bereits grob festgelegt:

«Es wird eine Schmalspurbahn mit elektrischen Betrieb erstellt, die von Solothurn auf dem linken Ufer der Emme nach Bätterkinden, mit Abzweigung nach Utzenstorf, geht, sich über Fraubrunnen, Jegenstorf und Schönbühl nach Zollikofen zieht und dort in die Strassenbahn Zollikofen-Bern einmündet.»

Jetzt sollte es schnell vorwärts gehen mit der Planung und dem Bau der Bahn. Als Projektleiter wurde Oberingenieur Luder* engagiert, der im Juli 1912 die Planungen aufnahm. Weder die Studien der Normalbahn Solothurn-Schönbühl noch diejenigen der Utzenstorf-Zollikofen-Bahn konnten verbindlich genutzt werden, da sie von anderen Grundsätzen ausgegangen waren. Der Grundsatz, die Strecke auf eigenem Bahnkörper zu planen, konnte aber bis auf eine kurze Strecke von ca. 200 m in Moosseedorf und den Anschluss an die auf der Strasse verkehrende Bern-Zollikofen -Bahn in Zollikofen eingehalten werden.


Erdbewegung insgesamt: ~235 000 m³


Zum gesamten Streckenverlauf

Für die Strecke Solothurn-Biberist mussten mehrere Varianten geprüft werden. Die erste Variante sah vor, die Bahn parallel mit der Emmentalbahn zu führen, in der zweiten Variante sollte die Bahn südlich aus der Station Neu-Solothurn längs dem Bleichenberg ausfahren. Nachdem die Planungen der schweizerischen Bundesbahnen für die Station «Neu-Solothurn» bekannt wurden, welche die neuen Anlagen der ESB weit nach Süden rückten, wurde die zweite Variante umgesetzt.

Bau der ESB-Station Neu-Solothurn

Bau der ESB-Station Neu-Solothurn

Bau der ESB-Station Neu-Solothurn

Bau der ESB-Station Neu-Solothurn


Höhenunterschied von Solothurn bis Zollikofen: 128 m


Der Streckenverlauf in hoher Auflösung hier.


Maximalsteigung: 28 ‰


Auch für die Strecke Fraubrunnen-Jegenstorf, die Strecke durch Urtenen und bei der Kreuzung der Bieler-Linie bei Zollikofen wurden mehrere Varianten studiert. Bei letzterer entschieden sich die Planer für eine gemeinsame Unterführung von Strasse und Bahn. Dieser Einschnitt war der grösste der gesamten Strecke mit alleine 50 000 m³ Aushub. Hier befindet sich auch heute noch das Nadelöhr der Strecke Solothurn-Bern, welches bis Ende 2019 zur Doppelspur ausgebaut werden wird (für aktuelle Informationen siehe: http://www.rbs-doppelspur.ch).

Variantenplanung Strecke Fraubrunnen - Grafenried

Variantenplanung Urtenen

Bieler Unterführung (Zollikofen)


Minimal-Kurvenradius: 120 m


Ein Vorteil der Ausführung als Schmalspurbahn waren die kleineren Kurvenradien. So konnte die Linie nahe der Dorfzentren geführt werden. Dies ist auch heute grundsätzlich noch ein Vorteil, erschwert aber oft einen Ausbau der Strecke z.B. zur Doppelspur. Ein besonderer Fall war Jegenstorf. Statt die Linie auf der westlichen Seite der Hauptstrasse zu führen, kreuzt die Bahnlinie zweimal.

So kann man auch heute noch das eindrucksvolle Schloss Jegenstorf bewundern (wo am 27. August das grosse Jubiläumsfest stattfindet, General Guisan seinen Kommandoposten hatte und der äthiopische Kaiser Haile Selassie 1954 residierte). Das war aber nicht der Grund diese Linienführung. Der einflussreiche (und letzte private) Besitzer des Schlosses, Arthur von Stürler, hatte Anfang des 20. Jahrhunderts in der Nähe des Schlosses einen florierenden Getreide- und Fleischhandel. Somit machte er sich dafür stark, den Bahnhof möglichst nah am Schloss zu platzieren, um hier seine Güter verladen zu können. Stürlers Handel ging dann in den kommenden Jahren durch die Exportschwierigkeiten während des 1. Weltkrieges ein, der Bahnhof blieb bestehen und wurde bis in die 1990er Jahre mit Güterzügen bedient, z.B. für den alljährlichen Kuhmärit.


Länge der Strecke: 27 km

Anzahl Stationen: 14


Das Bedürfnis, möglichst alle Ortschaften in der Region zu bedienen (siehe auch hier), führte dazu, dass ungewöhnlich viele Stationen auf der relativ kurzen Strecke geplant wurden. Wenn doch einmal zwei Ortschaften „nur“ eine Station erhalten sollten, wurde auch kräftig über den Namen gestritten:

Der mit dem Bau der Stationsgebäuden beauftragte Architekt K. Indermühle orientierte sich bei der Planung am damals populären neuen Heimatstil. K. Indermühle war ein Schüler des deutschen Architekten Hermann Muthesius, der sich stark von dem englischen Landhausstil beeinflussen liess. Diese Häuser waren aussen oft antik gehalten, kombiniert mit der Verwendung von modernen Materialien. Indermühle entwarf drei Varianten, wobei sich das grösste (zum Beispiel Bätterkinden) an den Berner Landsitz anlehnte, die mittleren (zum Beispiel Fraubrunnen und Büren) und kleinen (zum Beispiel Urtenen oder Bleichenberg) an das Berner Bauernhaus. Die Stationsgebäude sind heute allesamt noch erhalten, auch wenn einige heute nicht mehr als Bahnhof dienen. Hier gibt es die Bilder zum Download

Stationsgebäude (gross) Bätterkinden

Stationsgebäude (klein) Büren zum Hof

Stationsgebäude (mittel) Fraubrunnen

Offene Wartehalle Bleichenberg


16 000 Eisenschwellen & 24 000 Holzschwellen


Holzschwellen wurden hauptsächlich in Waldgebieten und für gerade Strecken verwendet.


76 Brücken & Durchlässe


Brückenbau

Brückenbau

Brückenbau

Brückenbau

Brückenbau


Grösste Absenkung: ~2 Meter in acht Tagen


Der Baugrund war grösstenteils gut, doch zwischen Urtenen und Schönbühl lag das altes Seebecken des Moosseedorfsees. Hier musste die Bahnlinie  durch zwei Moore, das Moosseedorfmoos und das wesentlich tiefere Schönbühlmoos geführt werden. Beide Moore wurde ausgehoben und neu aufgefüllt. Dies war eine beim Bau der Bern-Neuenburg-Bahn erfolgreich eingesetzte Methode. Für die ESB jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. Während im Moossedorfmoos sich die Auffüllung in ca. 4 m Tiefe auf einer Lehmschicht festsetzte und tragfähig wurde, kam es im Frühling 1914 im Schönbühlmoos zu einer Absenkung des Baugrundes von rund 2 Meter in nur acht Tagen. Das Moor konnte schliesslich mit verschiedenen Einsätzen und Auffüllungen von fast 20 000 m³ verfestigt werden.

Daneben gab es auch kleinere Zwischenfälle, wie etwa einen Dammrutsch in Krailigen:

Den Baugrund konnte man stabilisieren. Doch 1914 brach der 1. Weltkrieg aus.  Der Auszug aus dem Geschäftsbericht 1914 verdeutlicht die Probleme, die dies für die Bauarbeiten bedeutete:

«Im ersten Halbjahr blieb die Organisation des Baubureaus und der Geschäftsführung der Gesellschaft, sowie der Unternehmungen dieselbe wie im Vorjahre. Im Personalbestand trat nur die Aenderung ein, dass gegen Ende des Berichtsjahres ein Betriebsbeamter angestellt wurde; ebenso wurde vorübergehend ein Hochbautechniker engagiert. Die Bauarbeiten waren im Juni und Juli im vollen Gange, indem die grössten Kubaturen in diesen Monaten geleistet wurden, so dass eine prompte Vollendung des Unter- und Oberbaues sicher schien. Durch den Ausbruch des europäischen Krieges wurde unser Unternehmen in verschiedener Beziehung empfindlich betroffen. Nachdem am 1. August 1914 der Bundesrat die Mobilmachung der ganzen schweiz. Armee beschlossen hatte, trat momentan fast ein gänzlicher Stillstand in den Arbeiten ein. Der Bauleiter, und mit Ausnahme eines Ingenieurs das gesamte technische Personal der Bahngesellschaft, mussten zur Grenzbesetzung einrücken; ähnlich erging es den Bauunternehmungen. Die in grosser Zahl beschäftigten italienischen Arbeiter der Unternehmungen zogen ab und die Einheimischen waren grösstenteils militärpflichtig. Noch schlimmer stund es mit den Geldmitteln. Da die hohe Finanz versagte, waren Regierungen und Banken nicht mehr in der Lage, grössere Summen zur Verfügung stellen. Infolgedessen wurde am 8. August in der in Burgdorf abgehaltenen Verwaltungsratssitzung beschlossen, den Bauunternehmungen, sowie den Rollmaterialfirmen mitzuteilen, dass infolge der Kriegswirren vorläufig keine grösseren Zahlungen geleistet werden können; dies führte dann von selbst zur definitiven Einstellung der Bauarbeiten. Angefangene Arbeiten, die nicht ohne Schaden unfertig gelassen werden konnten, wurden noch mit geringer Arbeiterzahl fertiggestellt. Gegen Mitte September, als sich die Gemüter beruhigt hatten, und die Finanz wieder funktionierte und sich andererseits im Lande herum ein Bedürfnis nach Arbeitsgelegenheit geltend machte, wurde auf ein Gesuch der einen Unternehmung hin die Frage der Wiederaufnahme der Arbeiten erwogen. Auf Verwendung der beiden Kantonsregierungen hin welche die Fortsetzung der Arbeiten als Notstandsarbeiten fördern halfen, stellten die Kantonalbanken von Bern und Solothurn wieder Mittel zur Verfügung, und am 26. September beschloss der Verwaltungsrat die Wiederaufnahme der Arbeiten auf allen Baulosen und zudem die Vergebung von Hochbauten, unter der Bedingung, dass nur einheimische Arbeitskräfte verwendet werden. Es wurde so möglich, dass fast in allen Ortschaften der Bahn entlang den Baumeistern und Handwerkern Arbeiten zugewiesen werden konnten. Im Oktober und November ist deshalb der ganzen Linie nach wieder Bauliches entstanden, wobei selbstverständlich die Arbeit nicht im gleichen Tempo weiterging, wie vorher, denn es war immerhin nur ein reduzierter Betrieb. Ein Ingenieur der Bauleitung war militärfrei und das übrige technische Personal wurde bei den Ablösungen der Divisionen wieder dienstfrei. Während die 2. und 3. Division im Reserveverhältnis, letztere in der Umgebung von Solothurn, lagen, waren fast vollzählige Direktions- und Verwaltungsrats-Sitzungen möglich; ebenso war es dem Bauleiter möglich, am Fortgang der Arbeiten mitzuwirken. Der Krieg hat noch in anderer Weise mitgespielt, indem z.B. die Kupferlieferungen nicht ausgeführt wurden, was die Kraftbeschaffung und die Fahrdrahtleitung zeitlich in Frage stellte.»

Doch schliesslich, mit zwei Jahren Verzögerung, war der Bau der Bahn von Solothurn nach Zollikofen 1916 abgeschlossen.  Am 9. April 1916 konnte der Eröffnungszug die Strecke feierlich einweihen:

*Oberingenieur Werner Luder (1878 – 1940) beschrieb seine Erfahrungen mit dem Bau der Solothurn-Bern-Bahn ausführlich in der Schweizerischen Bauzeitung. Nachzulesen hier: http://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=sbz-002:1918:71:72::2885#2885 

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